Schmerzempfinden bei Fischen...
Immer und immer wieder ist das ein Reizthema. Können Fische Schmerzen empfinden oder nicht ? Da mich dieses Thema auch interessiert, habe ich einmal recherchiert und nachfolgenden Artikel in der „Esox 01/2008“ dazu gefunden, welchen ich hier einstelle:
Schmerzempfinden bei Fischen
Dr. Thomas Meinelt, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin und Dr. Michael Pietrock, University of Saskatchewan, Kanada
Wirbellose Tiere, von denen die meisten ein Nervensystem ohne wirkliche gehirn-ähnliche Gliederung haben, sind zu grundlegendem, formellen Lernen fähig, aber das ist kein Grund, sie mit Hunden und Katzen zu vergleichen. Selbstschutzreaktionen auf schädigende Reize sind ein allgemeines Charakteristikum im Tierreich. Solche Reaktionen kommen bei den einfachsten Lebensformen, wie z. B. den Amöben, vor, die über kein Nervensystem verfügen, sich aber von potentiell verletzenden chemischen oder mechanischen Reizen wegbewegen. Viele wirbellose Tiere, wie z. B. Seesterne, haben kein Gehirn, sondern nur sensorische Rezeptoren, die als Reaktion auf schädigende Reize Bewegung erzeugen. Das heißt, selbst schützende Reaktionen benötigen kein komplexes Nervensystem und treten bei Tieren auf, die über keine bewusste Wahrnehmung verfügen. Selbst äußerst komplexe Schutzreaktionen, wie z. B. Immunreaktionen, treten vollkommen unbewusst auf, Einer der wichtigsten Fortschritte bei der wissenschaftlichen Untersuchung von Schmerz ist die Erkenntnis, dass Schmerz eine rein bewusste Erfahrung und unabhängig von verhaltensspezifischen und physiologischen Reaktionen auf Verletzung ist. Gemäß der Socictv for thc Scientific Study of Pain hat Schmerz eine sensorischsinnliche und eine emotional - gefühlte Seite. Die sinnliche Seite sagt uns, dass wir verletzt wurden, z. B. das erste Gefühl, das uns überfällt, wenn wir uns mit dem Hammer auf den Daumen schlagen. Das emotionale Gefühl ist unabhängig davon, im Beispiel hier ist es das Leiden, das folgt, nachdem man den Schlag auf den Daumen wahrgenommen hat. Im Gegensatz zu Schmerz ist Nozizeption die unbewusste Verarbeitung schädigender Reize. Sensorische Rezeptoren, die Verletzungen entdecken, werden Nozizeptoren und nicht Schmerzrezeptoren genannt, da Schmerz eine bewusstc Erfahrung aufgrund der Verarbeitung durch Bereiche unseres Gehirns und nicht ein
fach aufgrund nozizeptorischer Aktivierung ist. Demgemäß ist Schmerz nicht das unveränderbare Ergebnis von nozizeptorischer Aktivierung. Nozizeption umfasst Verhaltens- sowie physiologische Antworten, vom einfachen Wegziehen von Gliedmaßen zu komplexeren Verhaltensweisen, wie Artikulierung, Mimik und Vermeidung des schädigenden Reizes. Ein Beispiel für angebliche Schmerzempfindung von Regenbogenforellen war eine Abhandlung von Sneddon und Mitarbeitern, die Nozizeption beschrieb, aber weder diese noch eine Folgeabhandlung brachten wirklich einen Nachweis, dass Fische Schmerz oder Leid empfinden können. Das größte Problem hei diesen Abhandlungen war, dass die Definitionen der Autoren von Schmerz und Nozizeption nicht gültig waren. Im Rahmen der von Sneddon durchgeführten Verhaltensexperimente wurden Regenbogenforellen große Mengen Bienengift, Essigsäure oder Salzlösung in den Kiefer injiziert. Die Forellen zeigten jedoch trotz der erheblichen Injektionen von Gift oder Säure, die bei einem Menschen beträchtliche Schmerzen hervorgerufen hätten, auffallend geringe Reaktionen. Ihr Aktivitätsniveau änderte sich nicht, sie versteckten sich nicht schutzsuchend im Aquarium und sie fraßen spontan innerhalb von drei Stunden. Es erfolgte keine Änderung im Schwimmverhalten. Die vergleichsweise schnell einsetzende Nahrungsaufnahme (im Vergleich zu nicht injizierten oder mit Trägersubstanz injizierten Forellen) widerspricht der Annahme, dass die Forellen Schmerzen hatten, insbesondere wenn die Wirkung von Säure zwischen fünf und sechs Stunden anhält. Es wurde weiterhin berichtet, dass Fische, denen Säure injiziert worden war, ihre Mäuler manchmal am Kies „rieben". Dies taten aber die Fische, denen man das Gift injiziert hatte, nicht. Die Autoren schlossen daraus, dass das Maulreiben aufgrund des Schmerzes auftrat. Wieso rieben sie sich aber nur das Maul nach Säureinjektion und nicht nach der Bienengiftinjektion? Wieso wertet Sneddon die leicht verzögerte Futteraufnahme nach Injektion als „Schmerz" am Maul, während sich gleichzeitig ein Teil der Fische wegen „Schmerzes" am Maul scheuert? Die Auslegungen von Sneddon sind widersprüchlich sowie wissenschaftlich nicht bewiesen. Kurzum, Maulreiben und Unterdrückung der Nahrungsaufnahme als Verhaltensanalyse vorzubringen, weist nicht die erforderliche Validität bzw. nicht einmal die lo
gisch konsequente Auslegung auf. Die vier Hypothesen, auf denen Sneddon ihre „Schmerztheorie" bei Fischen aufbaut, werden nachfolgend widerlegt:
(1 ) Tiere besitzen zur Detektion schädigender Reize die gleichen Sensoren wie die Menschen. Diese Kriterien werden jedoch durch umfassende Beweise widerlegt, die schon früher vorgelegt wurden, und es erfordert nur die Anwesenheit von Nozizeptoren, die für sich allein nicht ausreichen, um Schmerz zu empfinden. Die bewusste Empfindung von Schmerz erfordert einen ausreichend entwickelten Vorderhirn-Neokortex, den Fische nicht besitzen.
(2) Schädigende Ereignisse haben nachteilige Auswirkungen. Das zweite Kriterium ist ungültig, da physiologische und Verhaltensantworten auf schädigende Reize voll und ganz möglich sind und (sogar bei Menschen) ohne Wahrnehmung ausgeführt werden. Das heißt, sie sind kein Beweis für Schmerzwahrnehmung.
(3) Tiere lernen, diese schädigenden Reize zu vermeiden. Dieses Kriterium hat keine Gültigkeit, da Vermeidungslernen nur unbewusstes, assoziatives Lernen erfordert und deshalb keinen Nachweis für die Existenz von Bewusstsein, ein wesentliches Erfordernis für Schmerz, erbringt.
(4) Verhaltensbeeinträchtigungen während eines schädigenden Ereignisses sind nicht nur einfache Reflexe. Belege von Menschen ohne Kortex (z. B. der Fall Schiavo, USA) wie auch schlafwandelnder Menschen (die auf das Dach klettern etc.) zeigen, dass wir durchaus die Fähigkeit zu hochkomplexem, scheinbar zielgerichtetem Verhalten haben, während wir uns dessen nicht bewusst sind. Komplexe Verhaltensweisen sind somit auch ohne ein Bewusstsein möglich. Belege aus der Biologie und das Verhalten der Fische widersprechen der Annahme, dass Fische Schmerz oder Leid auf eine menschliche oder säugetierähnliche Art fühlen.
Die normale Existenz der Fische scheint aus anthropomorpher, menschlicher- Perspektive ziemlich hart. Nichtsdestotrotz sind Fische an diesen harten Lebensstil ziemlich gut angepasst. Besonders die Fressgewohnheiten von Fischen verraten eine Menge über sie. Fische konsumieren regelmäßig Gegenstände, die als Nahrungsmittel für uns ziemlich schmerz
voll wären: Seeigel, scharfe Muscheln, Krabben, Korallen, Kopffüßer, Stechrochen, Hornhechte und zahllose Arten von Fischen mit stacheligen, starren oder giftigen Flossenstrahlen. Wenn Menschen solchen Bedingungen ausgesetzt wären, würden sie mit großer Wahrscheinlichkeit schlimme Schmerzen erleiden. Das Verhalten von Fischen jedoch widerspricht dem Gedanken, dass sie Schmerzen leiden.
Der Fischfang ist eine der strittigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Wohlbefinden von Fischen. Gehakte Fische reagieren sehr heftig, und diese Reaktionen werden anthropomorphistisch als „schmerzbegründet" interpretiert. Sind jedoch die tatsächlichen Verhaltensreaktionen eines gehakten Fisches das, was man erwarten würde, wenn ein Mensch (oder ein Hund oder eine Katze) gehakt und an Land gezogen würde? Folgende Aspekte sollten bei diesen Überlegungen zusätzlich in Betracht gezogen werden: (1) Haie und Rochen haben keine sensorischen Rezeptoren, um verletzende Reize zu detekrieren, aber diese Fische, genauso wie Knochenfische,reagieren nach dem Haken mit Flucht und Kampf. Obwohl es Belege gibt, dass einige, vielleicht sogar viele Knochenfische Nozizeptoren besitzen, haben Untersuchungen an einer Anzahl von Hai- und Rochenarten keinen Nachweis für Nozizeptoren gefunden. Haie sind mit den Worten des Meeres-Ichthyologen J. L. B. Smith „notorisch indifferent gegenüber Schmerzen".
Die Arten, bei denen keine Nozizeptoren nachgewiesen werden konnten, wie z. ß. Schwarzspitzen-Kiffhai, Großer Geigenrochen und Stachelrochen, sind unter Anglern als extrem starke Kämpfer bekannt, wenn sie am Haken hängen, eine Reaktion, die unmöglich auf Schmerz oder auch Nozizeption zurückzuführen ist. (2) Die Reaktion eines Echten Knochenfisches auf das Gehaktwerden ist nicht ohne weiteres als menschen-ähnliche Reaktion auf „Schmerz" zu erklären.